Bestenliste (BL)

Diese Bestenlisten sind das Kernstück der gesamten Statistikarbeit. Sie haben die meiste Arbeit verursacht und umfassen hunderttausende von Leistungen. Ihre Besonderheit wird unter dem Stichwort "Alterklassen" hervorgehoben. In diesen "ewigen" Bestenlisten stecken mehr als 20 Jahre Arbeit. An anderen Bestenlisten arbeiten bis zu einem Dutzend Statistiker; dies ist nun das Ergebnis eines "Einzelkämpfers".

Selbst wenn eine "ewige" Bestenliste zum Zeitpunkt des Erscheinens bei wenigen Leistungen schon wieder überholt sein mag, so zeigt sie doch einen Überblick zum Teil für den Zeitraum von über einem Jahrhundert der bayerischen Leichtathletik. Darin liegt ihr Wert.

Das Schöne an einer solchen "ewigen" Bestenliste pro Altersklasse ist, dass man den Werdegang eines Athleten oder einer Athletin Jahr für Jahr von der Schülerklasse bis zu den Senioren-Altersklassen verfolgen kann, wenn Er oder Sie so viele Jahre hintereinander zur bayerischen Spitzenklasse gezählt hat.

Wie es zu den "Mindestleistungen" für die einzelnen Disziplinen und Altersklassen gekommen ist, ist unter dem betreffenden Stichwort vermerkt. Deshalb auch die unterschiedlich langen Statistiken pro Wettbewerb. Bewußt wurde hier von z.B. den 100 Besten abgewichen, weil eben mehr Jugendliche die 100 m sprinten als Senioren die 300 m. Leider fehlen für die Schülerklassen zwischen 1954 und 1967 sehr viele Angaben. Wenn man dies weiß, wird man es verschmerzen können.

 

Sind "ewige" Bestenlisten unfair?

Diese Frage taucht auf, wenn man sich eingehender mit der Materie beschäftigt. Nehmen wir ein Beispiel, um die Problematik zu veranschaulichen:

1929 warf Lisa Gelius den Speer 32,48 m (Bayerischer Rekord). Knapp ein halbes Jahrhundert später (1976) wirft Marion Becker das Gerät mehr als doppelt so weit (65,14 m - Deutscher Rekord).

Niemand wird denken, daß die Rekordhalterin mit dem alten Speer das gleiche Gerät verwendet hat wie einst Frau Gelius. Das heißt, dass Sportgeräte im Laufe der Zeit technische Verbesserungen erfahren, die jedoch den Regeln entsprechen (Hier z.B. beim Speer die besseren Flugeigenschaften).

Die Stabhochsprung-Stäbe haben während vieler Jahrzehnte mehrfach Materialänderungen durchgemacht. Deshalb werden z.B. Bambus- und Glasfiberstäbe nicht in einer gemeinsamen Statistik zusammengeworfen - und wenn, dann ist dies besonders gekennzeichnet.

Wer vor über 100 Jahren 100 m lief hatte weder die heutigen Kunststoff-Bahnen noch die derzeitigen Spikes und schon gar nicht das professionelle Training unserer Athleten des 21. Jahrhunderts. Sind daher "ewige" Bestenlisten unfair?

Die meisten Leser werden wissen, daß Ende der 40er-/Anfang der 50er-Jahre in Bayern andere soziale Verhältnisse bestanden als heute. Wer fährt heute noch mit dem Fahrrad bis zu 80 km zu einem Wettkampf? Damals fast eine Selbstverständlichkeit.

Entscheidend bei der Lektüre der "ewigen" Bestenlisten ist, zu wissen, unter welchen Umständen - positiven wie negativen - in welchem sozialen Umfeld die jeweiligen Leistungen erzielt wurden. Dann wird man die Ergebnisse aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts zu würdigen wissen. Und wenn man diese Bestenliste mit solchen "Geschichtsaugen" liest, dann ist sie nicht mehr unfair.

 

"Ewige" Bestenlisten umstritten

Als langjähriger Leichtathletik-Statistiker, der mit der Materie vertraut ist, weiß ich von einigen ersthaften Kollegen, dass "ewigen" Bestenlisten - so wie sie hier veröffentlicht werden - etwas umstritten sind.

Zum einen wird argumentiert, dass eine einmal erzielte Höchstleistung unter besonders günstigen Umständen erreicht, nicht das tatsächliche Können eines Atheten oder einer Athletin widerspiegelt. Diese Statistker plädieren dafür, die zehn besten Leistungen eines Sportlers heranzuziehen, und die so errechnete Durchschnittsleistung für eine Rangfolge zu nehmen. Tatsächlich werden in Ausnahmefällen derartige Statistken veröffentlicht. Sie beziehen sich aber immer auf die allerbesten Leichtathleten, also auf die etwa 100 oder 150 Besten.

Zum anderen wird gesagt (und mit Recht wie ich meine), daß die heutige Leistungsflut die Ergebnisse aus den 20er- und 30er-Jahren "erschlägt". Dagegen gebe es nur ein Mittel: "Ewige" Bestenlisten jeweils nur für den Zeitraum eines Jahrzehntes zu erstellen; so etwas ist schon ein wenig einfacher zu realisieren als der zuerst genannte Vorschlag. Und tatsächlich sehen Sie in dieser Arbeit zum ersten mal die viel gewünschten Dekaden-Bestenlisten! Wir haben allerdings dann keinen Vergleich über den Zeitraum von zum Teil mehr als einem Jahrhundert. Besser wäre meines Erachtens eine "ewige" Bestenliste für die erste und die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts.

Wenn man jedoch wie hier nicht nur die 50 Besten, sondern zum Teil die 1.000 (tausend) Besten registriert, dann haben die Leistungen aus den Anfängen der Leichtathletik wieder eine Chance, in der Bestenliste zu erscheinen.

Sie werden sehen: Ich bin in dieser Arbeit einen Weg gegangen, der die beiden Argumente abdeckt: Zum einen wird nicht nur eine einmalige Höchstleistung registriert, sondern anhand der Jahresbestenlisten ein anschauliches Bild davon gegeben, wie die Leistungsentwicklung nicht nur der Sportler, sondern der gesamten Sportart in Bayern war.

Mit den "Jahresbesten" wird gezeigt, wie lange sich der Athlet oder die Athletin in der Spitze halten konnte. Beide Statistiken zusammen - die Jahresbestenlisten und die "ewige" Bestenliste plus den Jahresbesten und der Rekordentwicklung machen anschaulich, wer in Bayern den Ton in "seiner" Disziplin angegeben hat. Dazu kommen dann noch Auswertungen, die in ihrer Art wohl einmalig sind: Zum Beispiel die Besten eines jeden Jahrgangs oder die Besten in einer Altersklasse von den 3-jährigen bis zu den 94-jährigen.

 

Über die Schwierigkeiten eine solche Bestenliste zu erstellen oder wie Unmögliches möglich wird

Um "ewige" bayerische Bestenlisten zu erstellen, braucht man zuerst entsprechende Unterlagen: Das sind zum einen die Bayerischen Jahresbestenlisten, die es seit 1947 gibt und für die Zeit von 1889 bis 1946 sind es dann die Deutschen Bestenlisten, aus denen die bayerischen Athleten entnommen wurden. Weiter wurden private Aufzeichnungen verwendet, die seriös und absolut zuverlässig sind (z.B. von Herrn Sandles, Geretsried oder Herrn Kopp, Augsburg). Diese Privataufzeichnungen ergänzen oder bestätigen sich gegenseitig. Als weitere Kontrollhilfe dienten die "ewigen" Deutsche Bestenlisten von Herrn Klaus Amrhein aus dem Jahre 1986.

Zur weiteren Kontrolle standen das Buch "Die besten Oberbayern aller Zeiten" sowie Vereinsbestenlisten, Kreisbestenlisten und weit mehr als 400 Regierungsbezirks-Jahrbücher zur Verfügung, wobei mein besonderer Dank meinem Freund, Herrn Georg Ismaier gilt, der die meisten dieser Jahresbestenlisten dem Autor zu Verfügung stellte.

Die genannten Unterlagen beziehen sich in erster Linie auf die Hauptklasse, also auf die Erwachsenen. Bei den Jugendlichen und Schülern sieht es etwas anders aus: Hier gehen die Aufzeichnungen in keinem Fall so weit zurück wie bei den Erwachsenen. Außergewöhnlich gute Jugendleistungen erscheinen aber in dieser Zeit immer wieder in den Erwachsenen-Listen und sind selbstverständlich berücksichtigt, auch wenn Wettkampf-Ort und das genaue Datum (nur das Jahr ist bekannt) fehlen.

Wie kommt man nun zu solch einem umfangreichen Archiv? Die meisten Jahresbestenlisten habe ich gekauft, andere ausgeliehen oder fotokopiert.

Jetzt hat man also die Unterlagen. Als nächstes braucht man einen ungestörten Arbeitsplatz. Nachdem die Arbeit - wie sie bei "Die besten Oberbayern aller Zeiten" organisiert war - umgestellt wurde, war auch keine Tischtennisplatte zum Auslegen der Jahrbücher mehr erforderlich. Zuerst wurden Leistungen in den Flachstrecken männlich und weiblich aus den Bayerischen Jahrbüchern am Computer erfaßt. Nachdem diese Jahrbücher aber beim 20. Schluß machen, kam ich nicht so weit, wie ich es haben wollte. Deshalb wurden noch die weit mehr als 400 Regierungsbezirks-Bestenlisten herangezogen und deren Sprintleistungen in den PC eingegeben. Immerhin waren das - ohne die Staffeln - über 100.000 Leistungen!

Wenn man nun die Bezirksbestenlisten mit dem bayerischen Jahrbüchern vergleicht, erlebt man immer wieder Überraschungen. Stimmen die Angaben überein?

Dass Leistungen in der "Bayerischen" standen, die in den Regierungsbezirkslisten fehlen und umgekehrt - damit muß der Statistker leben und das Beste daraus machen. Andere Abweichungen machten mehr zu schaffen:

Unterschiedliche Leistungen vom gleichen Athleten am gleichen Tag, verschiedene Namensschreibweisen, zwei verschiedene Vereinsangaben für den gleichen Athleten am gleichen Tag, unterschiedliche Jahrgangsangaben - diese waren ein nicht zu unterschätzendes Problem - verschiedene Wettkampforte und -tage bei gleicher Leistung vom gleichen Athleten.